Schon der Hausverstand legt uns nahe, dass die Weihnachtszeit nicht unbedingt zu den gesündesten Zeiten des Jahres zählt. Statistisch gesehen häufen sich um Weihnachten Herz-Kreislauferkrankungen, was wohl an einer Kombination an Faktoren, wie das verzögerte Aufsuchen eines Arztes, übermäßigem Genuss bei Festessen und Weihnachsfeiern, und erhöhtem emotionalem Stress liegt. Obwohl die zwei erstgenannten Faktoren wohl nicht unbedingt als Belastungen wahrgenommen werden, kann dies von Stress nicht behauptet werden.
Der Effekt von kürzeren Tagen ist gut beschrieben. Dennoch sind sie, was Stress um Weihnachten betrifft, wohl nicht mehr als das sprichwörtliche Sahnehäubchen am Kuchen. Die Weihnachtszeit ist wahrlich einen Minenfeld and Stressfaktoren, die von zunehmender Arbeitslast gegen Jahresende, bis hin zu verschiedensten sozialen Verpflichtungen reichen. Zeit mit der Familie kann dabei helfen Stress zu bekämpfen, ist aber ebenso reich an Gelegenheiten, die alles noch schlimmer machen können. Bei der idyllischen Weihnacht - eine Angelegenheit aus perfekter Zeit mit der Familie, geprägt von respektvollen Unterhaltungen, und noch viel perfekterem Essen - handelt es sich nicht nur um ein Klischee, dem man sich nur schwer entziehen kann, die idyllische Weihnacht befeuert auch die Erwartungsmaschine, welche zuverlässig Stress ausspuckt, wenn wir feststellen, dass sich unsere unrealistischen Erwartungen so gar nicht mit dem gut gemeinten Durcheinander sozialer Komplexität decken, das uns umgibt.
Wir verdanken es einem kleinen Molekül namens Cortisol, dass wir überhaupt gestresst sein können. Es wird in der Nebennierenrinde produziert und signalisieret dem Körper, dass es Zeit ist Ressourcen aufzubringen und umzulenken, um mit möglicherweise lebensbedrohlichen Situationen umzugehen. Aus evolutionärer Sicht macht das alles selbstverständlich Sinn! Wenn man auf einen hungrigen Bären trifft, ist es nur vernünftig sich davon gestresst zu fühlen, da dies die körperlichen Ressourcen dahingehend konzentriert, dem Bären entweder entgegen zu treten, oder die Beine in die Hand zu nehmen und so schnell als möglich Meter zu gewinnen.
In dieser Hinsicht sind unsere Affengehirne allerdings ganz und gar nicht an das Leben in einer modernen Gesellschaft angepasst, wo vielerlei Situationen Stress auslösen, die nicht im geringsten lebensbedrohlich sind. Das Resultat kann chronischer Stress sein, der eine Vielzahl an negativen Auswirkungen auf unsere Gesundheit mit sich bringt. Neben dem erhöhten Risiko an Herz-Kreislauferkrankungen zu erkranken, kann chronischer Stress zu Depressionen, Panikattacken oder einer Verminderung der geistigen Leistungsfähigkeit beitragen, bzw. diese auslösen. So wurde kürzlich gezeigt, dass Stress in Personen mit entsprechender genetischer Veranlagung dazu führen kann, dass das Volumen bestimmter Hirnregionen abnimmt.
Dies soll natürlich keineswegs bedeuten, dass Weihnachten zum Schrumpfen von Hirnen führt! Allerdings bieten diese Erkenntnisse über die Folgen von Langzeitstress Anlass inne zu halten, um uns vor Weihnachten von unrealischen Erwartungen zu befreien, und uns mehr auf die gute Absicht, als auf das Durcheinander sozialer Komplexität zu konzentrieren.
Über den Autor
Lukas Hutter studierte Chemie in Graz und Systembiologie in Oxford. Er ist einer der Mitbegründer von Biotop und arbeitet derzeit als Lehrer in Villach.