Gerade um die Weihnachtszeit treffen wir in vielen Kulturen auf eine besondere Form von Gebäck - das Lebkuchenhaus. Aber was für Ideen stecken hinter einem süßen essbaren Häuschen und wie weit lassen sich diese zurückverfolgen?

Sehr zur Freude von uns Archäologen kennen wir Modellhäuser aus der materiellen Hinterlassenschaft verschiedener Kulturen. Sie helfen uns ein besseres Bild von der damaligen Architektur zu gewinnen, da die bei Ausgrabungen untersuchbaren Überreste von Siedlungen aus verschiedenen Zeiten nur kleine Einblicke ermöglichen. Aus Holz und Lehm gebaut bleiben meist nur die Grundrisse der Häuser erhalten und die Tonmodelle von Häusern ermöglichen uns eine bessere Vorstellung der aufgehenden Bereiche zu erhalten. Sie zeigen Häuser aus dem pharaonischen Ägypten (vor etwa 3900 Jahren), dem bronzezeitlichen Griechenland (vor etwa 3700 Jahren) oder wurden im eisenzeitlichen Mitteleuropa sogar als Urnen benutzt (vor etwa 2600 Jahren).

Doch auch wenn die Form an Lebkuchenhäuser erinnert, haben diese Tonmodelle natürlich nichts mit unserem heutigen Weihnachtshäuschen zu tun. Es gibt Funde von Honiggebäck in Form von Pflanzen, Tieren und Menschen im alten Ägypten als Opferkuchen und Grabbeigaben. Diese Verwendung zieht sich durch die Antike und der Legende nach gelang es Psyche sogar Kerberos beim Ein- und Austritt aus der Unterwelt mit Honigkuchen zu bestechen. Von der lateinischen Bezeichnung “libum” für die Opferbrote, die in Opferritualen den römischen Hausgöttern am Lararium dargebracht wurden, dürfte auch der deutsche Name Lebkuchen abgeleitet sein. Die exotischen Gewürze, die für die Herstellung notwendig waren kamen vermehrt mit den Kreuzzügen nach Mitteleuropa und so erlebte das Gebäck einen neuen Höhepunkt. Als gut haltbare “Kraftnahrung” für unterwegs und als Festtagsgebäck waren Lebkuchen sehr begehrt, galten aber durch die mühsame Beschaffung der Zutaten als exklusives Gebäck.

Damit kommen wir dem Lebkuchenhaus bereits näher, denn in Zeiten von Hungersnöten, wie in Europa zu Beginn des 14. Jahrhunderts, entwickelte sich die Idee des Schlaraffenlandes, des Landes des Überflusses. Pieter Bruegel der Ältere nahm in zwei Werken Bezug darauf, in seinen “Flämischen Sprichwörtern” (1559) und im Bild “das Schlaraffenland” (1567). In ersterem bezieht sich eine Szene (aus über 80 anderen) auf das Sprichwort: “Da ist das Dach mit Fladen bedeckt (es herrscht Überfluss)”. Diese Idee, dass ein “…Häuslein aus Brot gebaut […] und mit Kuchen gedeckt…” wäre, fand Niederschlag in Märchen und Erzählungen und wurde von den Brüdern Grimm in ihren Kinder- und Hausmärchen als Märchen von Hänsel und Gretel 1812 niedergeschrieben. Im Mittelpunkt steht hier der Mangel im Elternhaus und die Entscheidung die Kinder auszusetzen und das Lebkuchenhaus der anthropophagen Hexe dient als Symbol für den Überfluss als Gegenpol.

Die große Popularität des Märchens führte zur Verbreitung von Lebkuchenhäusern in vielen deutschsprachigen, osteuropäischen, skandinavischen und englischsprachigen Ländern, auch wenn der ideengeschichtliche Hintergrund meist nicht mehr präsent ist.

Über den Autor

Als Archäologe hat Martin Fera bereits Pharaonengräber im Sudan, bronzezeitliche Salzminen in Hallstatt und Wikingergräber in Norwegen untersucht. Derzeit befasst er sich damit, Daten von Landschaftsscans zu nutzen um eisenzeitliche Siedlungen in Europa besser zu verstehen.

Als Architekt hat sich Ralf Bliem auf generatives Entwerfen und modulares Design spezialisiert. Er hat and der TU Wien und TU Berlin Architektur studiert und in Berlin sowie in Wien in renommierten Architekturbüros gearbeitet. Ralf ist Mitbegründer von Biotop und arbeitet zur Zeit mit Biotop an modularen Laboren und einigen weiteren interessanten Aufgaben.

Weiterführende Literatur

“Die weinnachtlichen sömelen und der lebküchel.” A virtual exhibition of the UniversitätsbibliothekRegensburg

Ingrid Mössinger, Jürgen Müller (Hrsgg.): Pieter Bruegel d. Ä. und das Theater der Welt. Katalog der Ausstellung “Pieter Bruegel d. Ä. und das Theater der Welt”, Kunstsammlungen Chemnitz 13. April bis 6. Juli 2014. Berlin, München, 2014, 14-23

And topical on the Bruegel exhibition at the Kunsthistorisches Museum in Vienna: The Viennese images as macro photographs, macro infrared photographs, infrared reflectographies and x-rays

Enzyklopädie des Märchens Online. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Berlin, Boston: De Gruyter, 2016, 34-37